Sonntag, 30. Oktober 2011

Verlorener Zwilling - Auswirkungen und Merkmale


Der vorgeburtliche Verlust eines Zwillings prägt das überlebende Geschwister für das ganze Leben.

In der Gebärmutter so nahe beieinander zu wachsen, vielleicht sogar in der selben Fruchtblase, da besteht schon eine enge Bindung. Das erste Organ welches sich beim werdenden Menschen entwickelt, ist das Ohr. Das heißt, bevor überhaupt das Herz zu schlagen beginnt, verfügt der Embryo schon über Ohren und Gehör. So hört er dann als erstes das Rauschen des Blutes und danach das schlagende Herz seines Zwillings. Je nachdem ob er mit dem Geschwister eine Fruchtblase teilt oder der anderen sehr nahe ist, kann er mit der Zeit den Zwilling körperlich spüren und schon viel früher dessen Anwesenheit mit den Sinnen die er zu diesem Zeitpunkt hat, fühlen. Verschwinden die vertrauten Geräusche plötzlich, wenn das Herz des anderen plötzlich zu schlagen aufhört und auch die Bewegungen des Zwillings, kann das beim überlebenden Embryo einen Schock auslösen.

Welche Auswirkungen kann dieser frühe Verlust auf den überlebenden Zwilling noch haben? Welche Symptome kann man erkennen?

  • Hörschäden durch den Schock beim Tod des Zwillings
  • Hang zu gefährlichen Sportarten oder Unfällen, möglicherweise durch Schuldgefühle
  • das Gefühl etwas zu vermissen ohne zu wissen was es ist, wodurch manche unermüdlich auf der Suche sind. Häufige Jobwechsel, Partnerwechsel, viele Reisen, immer "auf der Suche"
  • manche überlebenden Zwillinge haben Mühe eine Partnerschaft einzugehen, weil sie darin die tiefe Verbindung eines "Seelenverwandten" vermissen und dadurch immer weitersuchen
  • Erfolglosigkeit im Beruf/Privat
  • sich einsam fühlen auch inmitten von Freunden, Familie
  • unerklärliche Schuldgefühle. Oftmals fühlt dich die Person immer als Schuldige/Verdächtigte
  • sich nur "halb fühlen"
  • Depressionen, Angstzustände
  • Ekel vor anderen oder sich selbst
  • Angst nahe stehende Menschen zu verlieren
  • Angst dass ein Mensch, Tier vor einem stirbt ohne dass man was tun kann
  • unerklärliche Sehnsucht
  • übermäßige Reaktionen in manchen Situationen, sei es übermäßige Wut oder auch Trauer und Angst
  • körperliche Fehlstellungen beispielsweise der Wirbelsäule, möglicherweise durch extremes wegdrehen/verbiegen in der Gebärmutter um dem toten Geschwister nicht zu nahe kommen zu müssen
  • das Gefühl dass die eigene Familie, Geschwister nicht die richtigen sind
  • Allergien
  • Bedürfnis nach symbiotischen Freundschaften, "Klammern"
  • Angst alleine zu sein
  • Helfersyndrom, der Drang anderen helfen zu wollen, sie zu "retten"
  • grosse Eiversucht
  • der Hang zum doppelten, Kleidung doppelt kaufen, Gegenstände etc
  • grosses Bedürfnis nach körperlicher Nähe, "Hauthunger"
  • als Kind ein Schreibaby gewesen
  • Verhaltensauffälligkeiten
  • einen Zwillingsersatz, beispielsweise eine Spiegel, einen Rucksack
  • kein Kinderwunsch vorhanden, oder Schwierigkeiten beim Schwanger werden
  • Herzschmerzen, Schwindelanfälle und Atembeschwerden, welche oftmals nach dem Entdecken des Zwillings verschwinden oder zumindest seltener auftreten
  • Angst vor Abschieden oder grosse Mühe damit
  • weitere körperliche Beschwerdenn, Fehlstellungen, Tumore, Zysten, Schwächen etc
  • andere Erkrankungen wie beispielsweidse ADS, ADHS, Autismus etc möglich

Ich könnte die Liste fast unendlich ergänzen, durch eigene Symptome und Symptome anderer Betroffener und ich denke vieles wurde bisher noch nicht dem Phänomen "verlorener Zwilling" zugeordnet, möglicherweise stehen weitere Erkrankungen ebenfalls in diesem Zusammenhang.

Triggern

Triggern bedeutet ein Auslöser, etwas das eine Erinnerung und daruch eine Reaktion darauf auslöst.

Auch wir überlebenden Zwillinge werden oft getriggert, also im Alltag mit Situationen konfrontiert die uns an den Verlust oder die direkte Zeit wo der andere Zwilling gegangen/gestorben ist, erinnern. Das können auch Gefühle sein, die dann irgendwie in unserem Kopf mit dem damals erlebten Gefühl verknüpft werden.

Das kann Angst auslösen aufgrund der Erinnerung, Traurigkeit, Panik, Starre und anderes, es ist dann wie wenn man wieder in diesen früheren Moment wäre.

Auch ich erlebe solche Momente, Momente welche mich wieder zurückwerfen in die damalige Zeit, als würde ich mit einer Zeitmaschine zurückreisen in eine frühere Zeit und denselben Moment noch mal erleben und das jedes Mal wieder wenn mich etwas "triggert".

Bei mir sind das unter anderem Abschiede. Nicht jeder Abschied, vorallem Abschiede nach denen ich eine oder mehrere Personen warscheinlich nicht mehr wiedersehen werde, oder Abschiede wenn ich einige Tage mit jemandem verbracht habe und dann wieder nach Hause gehe.

Wenn ich beispielsweise meine Eltern besuche und einige Tage dort verbringe, dann ist der Abschied für mich danach sehr schlimm auch wenn ich das zu verbergen weiss. Sobald die Person mir aber den Rücken kehrt, oder mit dem Auto davon fährt, möchte ich am liebsten hinterher rennen und es ist irgendwie als gäbe es kein wiedersehen mehr auch wenn dem nicht so ist. Mein Herz tut dann weh, Tränen laufen und alles in mir verkrampft sich.

Ich denke dass niemand ausser jetzt meinem Mann weiss, wie schlimm solche Momente für mich sind, weil ich es immer zu verstecken versuche, den Abschied überspiele, meine burschikose Seite in dem Moment den Platz übernimmt und das ganz cool regelt, zumindest nach Aussen. Innerlich ist es aber eben oftmals sehr schwierig.

Möglicherweise erinnern mich diese Abschiedsmomente an den Tod meines Zwillingsbruder, von dem ich mich vielleicht nicht verabschieden konnte, oder der eben nicht mehr zurückkam, den ich nicht mehr wiedersah. Daher muss ich mir in solchen Momenten immer versuchen bewusst zu machen, dass es hier ganz anders ist, dass dieser Moment nicht vergleichbar ist mit dem damaligen, dass meine Angst unbegründet ist. So schaffe ich dann meist innerhalb ein, zwei Minuten mich wieder in Griff zu kriegen.

Was ich selber nicht verstehe ist, warum Abschiede für mich als Kind eigentlich überhaupt nicht schwierig waren, ich hatte da soweit ich mich erinnern kann nie diese Angst, erst später im Erwachsenenalter, aber schon vor Entdeckung des Zwillings.

Es gibt auch andere Situationen die mich triggern.
Ich kann einen Film gucken in dem eine traurige Szene vorkommt, wenn mir die betroffenen Charaktere sympatisch sind, kann ich dieser Szene mehr Wert zumessen als normal und somit überreagieren. Das heisst, wenn zwei Personen sich darin für immer voneinander verabschieden, oder Geschwister getrennt werden, oder ein Kind einen Elternteil verliert etc, dann weine ich sehr stark und kann mich einige Minuten nicht mehr beruhigen, mein Herz krampft sich zusammen und ich falle wohl innerlich zurück. Wenn ich in solchen Situationen nicht alleine bin, kann ich gut damit umgehen, mich ablenken, hingegen wenn ich in diesem Moment alleine bin dann kommt alles raus. Auch hier muss ich immer versuchen mich daran zu erinnern dass es NUR ein Film ist, die Betroffenen Schauspieler sind, alles gespielt und dass es mit mir selber überhaupt nichts zu tun hat und auch nicht mit meinem Leben.

Auch Streit ist für mich schlimm, vorallem wenn er nicht vor dem Abend beigelegt ist, oder wenn die Person wütend weggeht, egal wer es ist, bevor man sich versöhnt hat. Wenn die Person weggeht tagsüber, dann habe ich Angst sie kommt nicht wieder, also so dass eine Versöhnung nicht mehr möglich wäre, und wenn es abends ist, dann gerate ich wieder so in einen Teufelskreis. Die Nacht scheint mir dunkler zu sein, das Zimmer wo ich bin bedrohlich, die ganze Situation und das ganze weitere Leben aussichtslos, es ist wie DAS ENDE, ich habe riesen Angst, kann mich nicht beruhigen und steigere mich dann irgendwie immer mehr rein. Es ist als würde mich alles verschlingen wollen, was bedrohliches.

Ich werde später noch weitere Triggermomente beschrieben

Mittwoch, 15. Juni 2011

Mal was anderes - Zeugung feiern?

Hey ihr,

auf unserem amerikanischen Parterblog habe ich einen Link gefunden, den ich euch auch mal zeigen wollte: Klick

Da feiern Zwillinge ihren Geburtstag mit einem Bild von sich im Mutterleib - auch mal was Neues. Für alle von uns, die nicht mit ihrem Zwilling Geburtstag feiern können, könnten wir ja mal einen Zeugungstag einführen. Den kann man zwar nicht genau wissen, sich aber ungefähr ausrechnen. Also Leute, sucht eure Geburtspässe, rechnet den Tag aus und dann wird gefeiert! *lol*

Donnerstag, 9. Juni 2011

John und Edward Grimes

Ich muss zugeben, dass ich die Tendenz habe, von Zwillingen besessen zu werden. Genau wie Rina. Deswegen waren bei Harry Potter die Weasley-Zwillinge meine Lieblingscharaktere, deswegen mochte ich Tokio Hotel (jawohl, nur deswegen xD) und deswegen schlage ich mir heute die Nacht um die Ohren, um auf YouTube Videos von Jedward anzugucken.
1, 2, 3

Mir ist aufgefallen, dass es meist männliche Zwillingspaare sind, die miteinander arbeiten oder ihr ganzes Leben miteinander verbringen, während die weiblichen eher getrennte Wege gehen. Woher kommt das? Oder sehe ich das falsch? Sind einfach nur nicht genug weibliche Paare berühmt, um die Schlüsse ziehen zu können? Immerhin gibt es auch noch Ashley & Mary-Kate Olson.

Dienstag, 24. Mai 2011

Dem Leben auf der Spur

Ich war immer auf der Suche nach etwas, das meinem Leben mit einem Schlag Sinn verleiht; etwas, das alles von heute auf morgen gut werden lässt. Und jetzt merke ich, dass das Leben so nicht funktioniert.

Wenn man Veränderung will, muss man dafür arbeiten und sich anstrengen. Da hatte ich immer was gegen einzuwenden, einmal weil ich ungeduldig bin und natürlich auch, weil ich unterbewusst mich danach gesehnt habe, dass alles wieder wie damals im Mutterleib wird, als alles noch gut war. Und das konnte ich nicht durch eigene Kraft erreichen.

Die Wahrheit ist, dass ich das überhaupt nicht erreichen kann, und das akzeptiere ich so langsam. Sehe ein, dass das Leben nur langsam vorangeht und man seine Ziele tatsächlich verfolgen kann, wo ich früher immer davon ausgegangen bin, dass etwas, was nicht sofort in Erfüllung geht, niemals in Erfüllung gehen wird, sondern mir stattdessen schon bald genommen würde und ich dann nichts mehr hätte, gar nichts. Vielleicht glaubte ich auch, selber bald sterben zu müssen.

Im Moment spüre ich kleine Veränderungen, und zwar in mir selber. Ich weiß von der Vergangenheit, ich muss nicht mehr rätseln und herausfinden, was geschehen ist. Ich kann davon loslassen und es so sein lassen, wie es ist. Je mehr ich das mache, desto mehr sehe ich ein, dass ich lebe und es auch noch eine Weile tun werde. Ganz unspektakulär. Alle andauernden Veränderungen sind unspektakulär, so kommt es mir vor.

Also, ihr wombtwin survivor da draußen, gebt nicht den Mut auf, ihr habt euch bestimmt schon mehr verändert, als euch bewusst ist. Und lasst euch eins sagen: Wenn ich soweit kommen konnte, dann schafft das jeder von euch! (-:

Samstag, 16. April 2011

Zwillings besessen?

Schon als Kind haben mich Zwillinge angezogen, natürlich wusste ich nicht warum.

Ich wollte mit ihnen befreundet sein, die Unterschiede und Gleichheiten herausfinden, verstehen wie es für sie ist ein Zwilling zu sein.

Auch bei Familien mit 2 Kindern welche sich ähnelten oder wirkten als wären sie gleich alt, habe ich mir immer die Frage gestellt "Sind es Zwillinge?". Ich musste sie anschauen, von einem zum andern, fast krampfhaft, niemand verstand das und ich denke manchen ist mein Blick aufgefallen.

Manchmal habe ich meine Mutter in so Situationen darauf angesprochen, ob sie denkt dass diese beiden Kinder Zwillinge sind oder "nur" Geschwister. Sie guckte mich meist etwas unverständlich an und fragte "Warum ist das so wichtig? Das spielt doch für uns keine Rolle". Das war ja eigentlich wahr, andererseits, für mich nicht, aber erklären warum, das konnte ich nicht und so hab ich mich auch manchmal ab mir selber gewundert.


Jetzt viele Jahre später verstehe ich all diese Situationen im Nachhinein, endlich ergeben sie einen Sinn. Auch heute gibt es solche Momente noch oft, wenn ich zum Beispiel im Zug sitze und Familien mit Kindern sehe, welche wirken als wären sie gleich alt oder sich ähneln, dann frage ich mich wieder "sind es Zwillinge?"

Bitte verzeiht mir wenn ihr mal zu denen gehört die ich anschaue, ich will nichts böses, ich versuch nur zu verstehen, wünsche mir an der Stelle von einem der beiden zu sein, zu spüren wie es ist ein Zwilling zu sein, mit einem lebenden Zwilling zu leben.

Hätte ich den Mut und unsere Zeit wäre reifer, würde ich gerne einige Fragen stellen "wie ist es? Wie fühlt es sich an? Wie tief ist die Verbindung? Spürt ihr einander auch wenn ihr nicht beieinander seid? Gibt es sowas wie eine gedankliche Verbindung? Gibt es Momente wo es wehtut sich so nahe zu stehen?"

Best Friends

Für jemanden, deren Namen mit Rem. beginnt...

Ich kenn Dich nun seit etwas mehr als einem Jahr doch es ist als würde ich Dich schon ewig kennen, es ist als wärst Du schon immer dagewesen irgendwie.

Ach hätte ich Dich nur schon früher gehabt, wie toll wäre das gewesen!

Du kennst mich schon so gut, verstehst mich (fast) immer, weisst was ich denke, weisst wie ich fühle, spürst wenn ich traurig bin und zum lachen gebracht werden sollte und Du verstehst es mich zu motivieren und aufzubauen wenn es mir nicht gut geht.

Mit Dir kann ich es aber auch lustig haben, wir blödeln herum, sind manchmal wie zwei alberne Hühner, aber es tut so gut!

Ich weiss nicht warum wir uns so gut verstehen, warum wir uns mögen, aber das ist mir eigentlich auch egal, es spielt nicht wirklich eine Rolle. Es spielt auch keine Rolle welches Alter Du hast, ob jünger oder älter als ich, wenn man sich so super versteht sind solche Dinge vollkommen nebensächlich.

Mit Dir kann ich über alles reden, egal was es ist, Du lachst nie, das ist nicht immer selbstverständlich. Du gibst so viel ohne was zu verlangen, aber ich gebe es Dir gerne zurück, manch einer könnte von Dir lernen der nichts anderes kann als nur Nehmen aber nicht Geben!
Ich hab andere Freundschaften erlebt, von denen ich dachte es ist das gelbe vom Ei, aber schlussendlich war es nichts als Schall und Rauch, einseitig und halbherzig.

Aber Du bist anders!

Du bist mutig
Du bist witzig
Du bist schlau
Du bist nett
Du bist cool
Du bist hilfsbereit
Du bist ehrlich
Du bist eine tolle Person
Du bist besser als Du denkst
Du bist eine super Freundin
Du bist da wenn man Dich braucht
Du bist so natürlich
Du bist echt
Du bist Du und genau das macht es aus!

Als ich anfing vom Thema Wombtwin zu reden hast Du mir konzentriert zugehört, Fragen gestellt aber kein einziges Mal an meinen Worten gezweifelt. Du hast es nicht hinterfragt, nicht nach Gegenargumenten gesucht, sondern einfach so akzeptiert.
Du hast mich aufgebaut wenn ich mich wieder mal so leer gefühlt habe, so halbiert und unvollständig, Du warst Da wenn ich traurig war und hast es meist irgendwie geschafft mich zum lachen zu bringen oder zu motivieren.

Wenn du nichts von mir hörst oder liest, dann machst Du Dir Sorgen und setzt alle Hebel in Bewegung um herauszufinden was los ist, auch das ist neu für mich, weil ich das bisher so nicht kannte und genau für das mag ich dich!

Danke dass Du mich so gut verstehst
Danke dass Du da bist
Danke dass Du mich zum lachen bringst
Danke dass Du meine Freundin bist
Danke dass Du so ehrlich und direkt bist


DANKE!


Und sorry dass Du wohl manchmal etwas meinen Zwilling vertreten musst aber Du machst es toll!

Donnerstag, 24. März 2011

Healing Path

Für Leute, die sich nicht sicher sind, wie sie mit ihrem Zwillingsverlust umgehen sollen bzw. wie sie davon heilen sollen, ist der sogenannte 'Healing Path' eine gute Möglichkeit, dabei geführt zu werden. Es ist ein Dokument, das man auf Althea Haytons Seite bekommen kann. Es ist auf Englisch.

Wenn man es durcharbeitet, kann man herausfinden, wie genau man das Leben seines Zwillings in sein eigenes integriert hat. Was zu einem selbst gehört, und was nicht. Außerdem lernt man, zu erkennen, wann man sich im 'schwarzen Loch', ein Kompromierungszustand für den Tod des Zwillings, befindet und mit der Zeit auch, dort wieder hinauszukommen.

Natürlich ist es nur eine Anleitung und die eigentliche Arbeit macht man selber. Ich finde aber, es ist ein guter Leidfaden, sozusagen eine Landkarte im großen, unübersichtlichen Land des vorgeburtlichen Zwillingsverlusts.

Donnerstag, 17. Februar 2011

'Leben' und 'Tod' sind Zwillinge

So ein starkes Auf und Ab, wie ich es erlebe, ist besser als jede Achterbahnfahrt.
Den einen Tag bin ich down, müde und depressiv, will alles nur beenden und aufgeben. Dann schaffe ich es, meistens mit Hilfe von Freunden (danke Rina^^) oder webseiten über wombtwin survivor, mich aus der Krise zu ziehen und zu überzeugen, dass es weitergehen wird.
Und am nächsten Tag fängt alles wieder von Vorne an, und das Leben kommt mir wie ein Kampf vor, den ich sowieso nicht gewinnen kann.
In vielen Situationen hilft es mir, mir vorzustellen, dass mein Zwilling da ist und was sie sagen würde. Oder einfach mit ihr zu reden, ganz selbstverständlich wie sonst nichts. Und daran zu denken, dass niemand an ihrem Tod Schuld ist; sie weder mich verlassen hat noch ich ihr den Platz weggenommen habe.
Das ist echt ein Lernprozess, aber immerhin erkenne ich Fortschritte, anstatt wie viele Jahre lang nur im Dunkeln umher zu irren.

Samstag, 5. Februar 2011

Friedhofsbesuch bei meinem Grossvater

Letzte Woche ging ich nach langem wieder einmal auf den Friedhof zum Grab meiner Grosseltern.

Schon während der Fahrt war es ein komisches Gefühl und je näher der Bus der Haltestelle kam wo ich rausmusste umso schlechter ging es mir. Ich hatte Mühe meine Tränen zurückzuhalten, ich vermisse zwar meinen Grossvater sehr, aber es ist jetzt nicht so dass ich jeden Tag an ihn denken würde, daher hat mich diese extreme Trauer selber ziemlich überrascht.

Auf dem Friedhof beim Grab angekommen erzählte ich meinen Grosseltern, vorallem meinem Grossvater zuerst so wie es uns allen geht, damit er auf dem Laufenden ist. Die Gefühle überrollten mich irgendwie, ich bekam eine Wut im Bauch, klar habe ich mich mit meiner Grossmutter nicht immer verstanden und sie hat meinen Grossvater manchmal recht unterdrückt, aber ich glaube diese Wut hatte auch da einen anderen Grund im Hintergrund, den Hintergrund des Zwillings.

Bei meinem Zwillingsbruder Bruno, habe ich keinen Platz wo ich hingehen kann, einen Platz wo er "ist", wo man trauern kann, mal Blumen hinstellen oder sowas.
Ich denke in diesem Augenblick am Grab vermischten sich die Gefühle, sie überschnitten sich. In dem Moment begriff ich das noch nicht so klar, aber ich habe ziemlich klare Worte gesprochen, meine Grossmutter ziemlich zu Unrecht stark kritisiert, dabei konnte sie für ihre Art doch auch nicht viel dafür.

Auf dem Heimweg bekam ich dann plötzlich ein schlechtes Gewissen und war selber erstaunt wie heftig ich auf dem Friedhof reagiert habe und was da alles rausgekommen ist und ich stellte plötzlich fest, dass mir ein Platz fehlte, wo ich Bruno "besuchen" konnte, dass es für mich keinen Ort gab wo ich dafür hinkonnte.

Ich beschloss mir irgendwo einen Platz auszusuchen wo ich hinkann wenn ich traurig bin, wo ich mich Bruno näher fühle, mit ihm reden kann, alleine sein kann. Irgendwo an einem Ort, einer Stelle wo es ihm auch gefallen hätte.

Klar kann ich mit Bruno eigentlich überall reden, auch zuhause in den eigenen 4 Wänden, oder draussen, aber trotzdem habe ich irgendwie das Bedürfnis noch so eine spezielle Stelle zu haben.

Sonntag, 30. Januar 2011

Identitätsstörung bei Zwillingen

Im Normalfall hat ein Mensch ein klares Identitätsgefühl. Aber was ist, wenn die Entwicklung der Identität gestört wird, und zwar ganz zu Beginn der Entwicklung im Mutterleib? Was, wenn Folgendes passiert: das Leben beginnt und dort sind zwei (oder mehrere) Embryos im Bauch, die sich sehr stark miteinander identifizieren, unter Umständen sogar aus der gleichen Eizelle entstanden sind. Sie sehen sich zusammen als Ganzes. Bei natürlicher Entwicklung werden sie während ihres Lebens mehrere Phasen der Individualisierung durchmachen, in denen sie lernen, dass sie auch einzeln ein Ganzes darstellen, eine vom anderen unabhängige Person sind. Das ist ihre Identität und diese besteht innerhalb ihrer gemeinsamen Zwillingsidentität, denn trotzdem werden sie immer ein Teil des anderen sein (das Konzept der Zwillingsidentität habe ich von http://www.tweelingalleen.nl/).

Doch wenn dieser Entwicklung etwas in den Weg kommt, gibt es Komplikationen. Wenn ein Zwilling im Mutterleib stirbt, kann der Überlebende nicht in seine eigene Identität hineinwachsen, weil er an dem Anderen und der gemeinsamen Zwillingsidentität (‚Zwillingsband’) festhält. Das ist eine ganz normale Reaktion.

Der Schock der Trennung ist doppelt schlimm für den Embryo oder Fötus: einmal verliert er sein Geschwisterchen, und zusätzlich weiß er nicht, welche der entstandenen Identitäten zu ihm gehört.

Außerdem kann er in den meisten Fällen auch nicht die Zwillingsidentität ausleben, da er nicht weiß, dass er ein Zwilling ist oder der Tatsache, mal ein Zwillingsgeschwister gehabt zu haben, keine Bedeutung beimisst bzw. keine Bestätigung dieser Bedeutung in seinem Umfeld findet.

Ich kann jetzt nur aus meiner Wahrnehmung schreiben, und die bezieht sich auf eineiige Zwillinge. Ich glaube zwar, dass bei Mutterleibs-Zwillingen bezüglich des Identitätsgefühls kein so großer Unterschied besteht, aber wenn doch, bin ich ganz gespannt darauf, Meinungen von Anderen dazu zu hören!

Wo auch immer Identität angesiedelt ist, Gehirn, DNA oder Bewusstsein, sie ist sehr wichtig für das Leben. Wenn man nicht weiß, wer man ist, steht man nur unsicher im Leben und ist ständig auf der Suche. Nach sich selbst, nach seinem Zwilling…

In dem Beispiel meiner Geschichte nehme ich Händigkeit als Anzeiger der Identitäten, weil es das offensichtlichste Beispiel war. Im Allgemeinen gibt es natürlich noch viele andere Komponenten. Aber die meisten Energien, die man für den Zwilling auslebt, sind unsichtbar und können nicht so eindeutig bestimmt werden.

Wenn man entdeckt, dass man im Mutterleib einen Zwilling hatte, ist man erleichtert, traurig und vieles lässt sich endlich erklären. So war da auch bei mir. Aber nach einer gewissen Zeit wurde mir klar, dass ich nicht vorankomme, sondern noch in Allem feststecke, was mir das Leben schwer machte.

Den größten Teil meiner Zeit war ich einfach nur verwirrt. Ein klares Gefühl von ‚das bin ich’ kannte ich nicht, aber ich ahnte, dass mir so was zustand.

Anstatt einer Identität besaß ich also nur Verwirrung. Vom heutigen Standpunkt aus würde ich sagen, dass die Identität meiner Zwillingsschwester einfach zu sehr mit meiner eigenen verwachsen war. Ich habe sie aus Unwissen angenommen, ich wusste weder von ihrer Existenz, noch von unserer Zwillingsschaft und habe mich mit all diesen unerkannten Faktoren als eine einzelne Person betrachtet. Auch, als ich von allem wusste, wusste ich nicht, was ich damit anfangen sollte. Ich habe alles nur über Intuition herausgefunden und war auf mich alleine gestellt, was die Suche nach Heilung betraf.

Und als ich von meiner Linkshändigkeit erfuhr, betrachtete ich das zunächst als vollkommen unabhängig vom Zwillingsthema. Das war es in gewisser Weise auch, während es andererseits mit dem, was ich bin, zu tun hat und man dies nun mal nicht vom Zwillingsthema trennen kann. Aber von Anfang an.

In den ersten Tagen, in denen ich bewusst und mit dem Wissen meiner Linkshändigkeit (vorher hatte ich mich als ‚Beidhänder’ betrachtet) schreiben geübt habe, kamen riesige Stücke der Erkenntnis und meiner verschütteten Identität (Selbst-Sicherheit) zu mir. In der darauf folgenden Zeit hatte ich viel damit zu tun, schreiben zu üben und die psychologischen Folgen des falschen Handgebrauchs zu verarbeiten. Da es hier aber um Zwillinge geht, stelle ich nun meine Theorie vor: Die Rechtshändigkeit gehörte zur Identität meiner Zwillingsschwester.

Erst seit kurzem kann ich uns auseinander halten. Dazu waren viel Zeit und ein paar schmerzliche Trennungsmomente notwendig, die mich zu jedem früheren Zeitpunkt nur zurück in Depressionen gestürzt hätten.

Während der gesamten Zeit meiner ‚Rückschulung’ auf die linke Hand hatte ich zwischendurch immer wieder das Gefühl, mit rechts schreiben zu müssen. Ich wusste nicht, woher das kam, denn mein Körper hat mir sehr eindeutige Signale gegeben, dass Rechtsschreiben schädlich für mich ist. Ich denke, es war mein Unterbewusstsein, das weiterhin die Identität meiner Schwester ausleben und nicht loslassen wollte.

Worauf ich hinaus will, ist Folgendes: Die Identität (oder, wem es besser passt: die Energie) des gestorbenen Zwillings hängt am Überlebenden, und dies bereitet Leid und Schmerzen, denn es ist etwas, was nicht hierhin gehört und oft als Todeswunsch/-drang wahrgenommen wird.

Wer einen Zwilling im Mutterleib hatte, ist auch als Alleingeborener hier und jetzt ein Zwilling. Und was denkt ihr, wo der Gestorbene hingegangen ist? Genau, nirgendwohin, er oder sie guckt euch beim Lesen übe die Schulter. Wenn ihr ganz leise seid, könnte ihr ihn zustimmen hören. In den meisten Fällen ist es so, dass der gestorbene Zwilling auch etwas gegen die Trennung hat oder eventuell ängstlich ist. Er will von euch beachtet werden. Ich weiß nicht, was ihr tun müsst, um die Verbundenheit und das Einssein mit eurem Zwilling zu fühlen, aber was auch immer es ist, tut es. Wenn ihr es nicht wisst, findet es heraus und tut es. Der Zugang zu diesen Gefühlen ist wichtig für die Heilung und letztendlich Auftrennung der Identitäten, ohne die höhere Verbundenheit zu verlieren.

Um es an meinem Beispiel zu veranschaulichen: Ich habe jahrelang gelitten, weil ich nur die Trennung vor Augen hatte. Dann habe ich ein Buch über voneinander abhängige Zwillinge gelesen, die nur miteinander kommunizieren konnten, und habe realisiert: Ich bin genauso. Besser gesagt, wir sind genauso. Wir sind gar nicht so getrennt, wie ich immer denke.

Auf einmal habe ich die geistige Abhängigkeit erkannt und hatte plötzlich einen Wunsch, den ich vorher noch nie hatte. Ich wollte unabhängig von ihr sein, alleine leben und vollkommen wissen, wer ich bin.

Dazu ist ein Prozess der Ablösung nötig. An dieser Stelle finden manche ein Abschiedsritual vielleicht passend und stimmig. Das ist jeder anders und muss das für sich wissen.

Für mich passt das nicht. Trennung ‚muss’ zwar sein, in dem Sinne, dass ich ihr Leben loslasse und akzeptiere, dass ich für immer alleine bin. Da dürfen ruhig Tränen fließen. Aber genauso muss ich einsehen, dass sie geistig immer für mich da sein wird und ich so Zugang zu dem Gefühl des Ganzseins habe. Das Ziel ist es, dass ich mich an sie erinnern kann, ohne dass es weh tut und dass ich längere Zeit nicht an sie denke, weil ich so von meinem eigenen Leben eingenommen bin. Meine eigene Identität zu leben, die eingebunden ist in unsere Zwillingsidentität, während ich meine Schwester dort sein lassen kann, wo sie ist und dabei das Vertrauen habe, dass es ihr dort gut geht und wir uns eines Tages wieder sehen werden.

Donnerstag, 27. Januar 2011

Noch eine Vorstellung

Hallo, ich bin Nini und werde in Zukunft auch ein paar Beiträge hier zusteuern. Ich kam so zu dem Thema:

Als ich 21 Jahre alt war, ist mir das Buch ‚Das Drama im Mutterleib’ in die Hände gekommen. Es war wirklich unglaublich, wie mein Körper auf alles, was darin stand, reagiert hat, während ich gleichzeitig das alles nicht glauben konnte und mich gefragt habe, warum ich denn bloß weine.

Aber es gab keine Zweifel daran, dass ich vom ‚vanishing twin syndrome’ betroffen war. Es war mir selber so klar und logisch, dass ich es sofort meiner Familie erzählt habe und dachte, die werden die Augen aufreißen und sagen „Woah, ja, das erklärt alles, wie du dich verhältst, warum du so bist und wir dich nie verstanden haben!“

Leider haben sie das nicht gesagt, sondern mir nicht geglaubt. Was mich in weitere Abgründe gestürzt hat.

Es folgten zwei Jahre, in denen ich trotz diesem Wissen eher schlecht als recht mit dem Leben zurecht kam. Ich steckte fest, obwohl ich so gerne weitergekommen wäre und obwohl ich alles tat, um den Zwillingsverlust zu integrieren. Dazu kam aber, dass ich mir nie sicher war, wie genau dieser ausgesehen hat. Es herrschte genauso viel Verwirrung wie zuvor.

Als ich dann herausgefunden habe, dass ich umgeschult bin, was bedeutet, dass ich als Kind durch Anpassung mit der schwachen, rechten Hand schreiben gelernt hatte und eigentlich Linkshänder bin, wurden mir einmal mehr die Augen geöffnet.

Ich habe angefangen, den nicht immer leichten Weg der Rückschulung zu gehen und im Laufe der folgenden Jahre hat sich viel mehr geklärt. Mein Selbstbewusstsein wurde besser und ich konnte mir selbst und dem Leben endlich vertrauen.

Dies hat zwar nicht direkt was mit dem verlorenen Zwilling zu tun, aber es ist ein bedeutender Faktor auf meinem Weg und ohne das wäre ich jetzt nicht hier. Ich erwähne das außerdem, weil der Schätzung nach das Verhältnis von Rechts- und Linkshändern eins zu eins ist und ich denke, besonders Alleingeborene sind anfällig dafür, sich an die Umgebung anzupassen, ohne zu hinterfragen, ob es für sie persönlich anders besser wäre. Ich selber wollte nämlich nie, um gar keinen Preis auffallen und anders sein. Und: Umgeschult zu leben bedeutet, sich selbst im Weg zu stehen und das Leben zu verhindern, und das ist genau das, was Alleingeborene tun.

Nachdem ich auf diesem Gebiet ein bisschen Heilung erfahren habe, konnte ich auch mein vorgeburtliches Leben besser ‚sortieren’. Ich habe gemerkt, dass die männlichen Energien, die ich immer mal wieder für Mehrlingsbrüder gehalten hatte, andere Brüder gewesen wären. Den Mutterleib selbst habe ich mir mit nur einer Schwester geteilt, und seit ich das so fühle, kann ich das damit verbundene Drama immer besser identifizieren und auch loslassen. Ich sage nicht, dass das von heute auf morgen geht, aber es ist doch ein Fortschritt zu spüren, wohingegen ich die letzten Jahre nur auf der Stelle getreten bin.

Das ist meine persönliche Geschichte und ich möchte nun mithelfen, das Wissen um das ‚Vanishing Twin Syndrome’ zu verbreiten, mich mit Betroffenen austauschen und ihnen helfen, insoweit mir das möglich ist. (-:

Sonntag, 9. Januar 2011

Mein Geburtstag

Morgen ist mein Geburtstag und die Erinnerung daran hat mich gerade wieder etwas aus der Bahn gehauen. Morgen erlebe ich meinen Geburtstag das erste Mal als überlebender Zwilling. Am liebsten würde ich mich jetzt in eine Höhle verkriechen und erst am Dienstag wieder aufwachen wenn dieser Tag vorbei ist.

Das schwierige an dem Tag ist, dass nur mein Mann, meine Eltern und zwei meiner besten Freunde von meinem Zwilling wissen, alle andern wissen nichts davon. Was heisst, ich muss wieder einmal mehr mich für einige ein wenig verstellen, weil sie es mit grosser Warscheinlichkeit nicht verstehen würden, weil das Phänomen "Verlorener Zwilling" oder auf Englisch "Wombtwin Survivor" nach wie vor zu wenig bekannt ist.

Wieder einmal mehr ist es mir traurig zumute, warum kann man nicht einfach offen über den verlorenen Zwilling reden oder völlig bescheurt gehalten zu werden? Warum ist für manche nach wie vor alles was nicht sichtbar ist nicht real?

Morgen werde ich 33 Jahre alt und Bruno,mein Zwillingsbruder würde es auch, wenn er nicht vor der Geburt gestorben wäre. Ach wie ich ihn vermisse!

Und gerade jetzt ist niemand da mit dem ich dies teilen kann, kein Gleichgesinnter, keine Freunde, niemand online oder anwesend, zumindest niemand der mir helfen könnte aus eigener Erfahrung. Hallo? Jemand da? Ich würd echt grad jemanden brauchen.


Ich werd jetzt versuchen mich mit TV etwas abzulenken, und morgen den Tag irgendwie "zu überstehen"

Mein Wunsch für die Zukunft aller Wombtwin-Survivors

Leider ist das "Syndrom" Wombtwin-.Survivor zumindest im deutschsprachigen Bereich noch zuwenig bekannt. Viele Menschen, darunter auch Ärzte oder Psychologen haben noch nie etwas davon gehört und wissen folglich auch nicht dass es das gibt und welche Auswirkungen es auf den überlebenden Zwilling hat.

Wie also kann man so all den Betroffenen helfen? Ich persönlich bin der Überzeugung dass es viel mehr Betroffene gibt als man denkt oder bisher angenommen hat.

  • Was ist zum Beispiel mit ADS oder ADHS? Was wenn diese Krankheit mit dem vorgeburtlichen Verlust eines Zwillings zu tun hätte?
  • Viele Menschen leiden ihr Leben lang an Allergien, Ängsten, Depressionen. Was wenn manche von ihnen ebenfalls Wombtwin-Survivors sind aber es nicht wissen?
Möglicherweise sind viel mehr organische oder psychische Symptome auf einen verlorenen Zwilling zurückzuführen. Natürlich kann damit nicht jede Krankheit in Verbindung gebracht werden, aber einiges davon vielleicht schon.

Wir als Überlebende wissen wie wichtig es ist, den Zwilling zu entdecken, auch wenn das ein sehr schmerzvoller Vorgang ist, aber nur so kann der Verlust verarbeitet werden und oftmals bleiben manche "Leiden" danach weg oder tauchen zumindest weniger häufig oder weniger stark auf.

Das Thema "Verlorener Zwilling" MUSS bekannter werden, erforscht werden, es muss darüber geschrieben werden, es muss der Öffentlichkeit bekannt sein, das Verständnis für Betroffene würde daher gefördert und für sie somit das Leben als "Überlebender" mit mehr Verständnis auch einfacher.

Fortsetzung folgt ev.

Was ist nur los mit mir?

Das ist ein Text aus einer Email, die ich im Oktober an einen anderen Wombtwin-Survivor geschrieben habe:

Mir gehts beschissen und ich hab eigentlich keine Ahnung wieso. Vieles macht mich über verhältnismässig traurig, alles berührt mich viel mehr als sonst, ich weine bei Filmen die mich zwar normalerweise berühren würden, aber bei denen ich nicht gleich weinen würde.

Alles ist irgendwie trostlos und bedrohlich zu gleich. Ich kann nicht mehr schlafen weil mich die Englischprüfung stresst, aus Angst sie nicht zu bestehen, ich träum schon von den Aufgaben etc. Bin ich in der Klasse geht es mir aber gut, ich fühle mich wohl und verstehe das meiste.
Kaum ist die Schule aber aus, weiss ich nicht mehr was tun und werde gleich deprimiert. Vorhin kam mir der Gedanke zu meinen Eltern zu gehen, vielleicht unternehmen sie etwas und ich wär abgelenkt, aber sie waren nicht zuhause und ausserdem war ich in letzter Zeit allzu häufig dort.

Sind das Depressionen? Im Zug musste ich mit aller Kraft mich beherrschen, die Tränen wollten andauernd kommen und ich blinzelte wie verrückt. Zuhause angekommen (mein Mann ist einkaufen), habe ich Jacke und Tasche agelegt, bin ins Schlafzimmer gerannt und habe mich weinend auf das Bett geschmissen.

Was ist nur los mit mir?

Ich hab auch plötzlich Angst um meine Eltern, das Gefühl auf den Fotos von Dienstag sehen sie so verlassen aus irgendwie, ich mach mir daher Sorgen, hab noch mehr Horror wenn sie dann irgendwann sterben werden, wohl weil mir bewusst wird, dass ich dann ganz alleine bin (ausser restlichen Verwandten und meinem Mann). Ich kann mir nicht vorstellen was ich dann ohne sie tue wenn's mir mies geht, oder meinem Mann mies geht (er ist krank) und ich jemanden zum reden brauch etc.

Einmal tief durchgeatmet habe ich mich etwas beruhigt aber ich habe so viele Dinge im Kopf und wenn ich daran denke, könnte ich gleich wieder losheulen.

Anmerkung:

Diese bedrohliche Stimmung kann fast aus heiterem Himmel plötzlich auftauchen und es ist irgendwie als würde sie mich verschlingen wollen, wie Nebel der kommt und einem plötzlich total umgibt. Glücklicherweise habe ich einen Mann, der dem "Thema Verlorener Zwilling/Wombtwin-Survivors sehr offen gegenübersteht und mich nach besten Kräften zu verstehen versucht und aufzufangen versucht. Obwohl er selber seit mehreren Jahren an Panikattaken, Schlafproblemen und Depressionen leidet, versucht er in solchen Momenten an meiner statt stark zu sein und wächst fast über sich hinaus.

Endlich Aufklärung

Hier möchte ich gerne mal aus der Sicht einer Betroffenen einige "Symptome" aufzählen, oder welche unerklärlichen Verhaltensweisen durch die Entdeckung des Zwillings plötzlich ganz klar waren. Diesen Text habe ich am 4. Juli 2010 verfasst in einer ziemlich gemischten Stimmung, einereits Erleichterung, andererseits grosse und unendlich tiefe Trauer.

Alles ergibt endlich einen Sinn:

  • Warum meine Freundschaften immer so intensiv sein mussten und ich oftmals Angst hatte meine beste Freundin zu verlieren
  • Warum ich in Freundschaften oftmals irgendwie "männlich" war, respektive burschikoser
  • Warum ich den Sohn einer Bekannten den ich seit meiner Geburt kenne geliebt habe wie einen Bruder obwohl er mir nicht einmal verwandt war
  • Warum ich sofort Angst bekomme, wenn mein Mann nicht um die Uhrzeit heimkommt wie er gesagt hat und warum ich mir dann oft schon die schlimmsten Szenarien vorstelle
  • Warum ich Panik kriege wenn er beispielsweise nicht um eine verabredete Zeit anruft wenn er beispielsweise länger weg ist
  • Warum Streit für mich schlimm ist wenn der andere sich dann komplet zurückzieht und ich Panik kriege wenn man zu Bett geht ohne dass der Streit begraben wurde
  • Warum für mich bei Streit oder Angst die Nacht dunkler wirkt als sonst und das Zimmer bedrohlich und die ganze Situation auswegslos
  • Warum ich nie weggehen kann (zur Arbeit etc) ohne mich vorher zu verabschieden (oft sogar mehrmals!) und umgekehrt auch
  • Warum ich mögllicherweise immer so viel esse und das Gefühl habe den letzten Rest auch noch essen zu müssen, auch wenn mir danach gar nicht mehr wohl ist
  • Warum ich immer zuviel koche
  • Warum ich manche männlichen Personen innert kurzer Zeit sehr mag (platonisch, sie scheinen mich irgendwie an den Zwilling zu erinnern)
  • Warum ich als Kind so verzweifelt darauf aus war zwischen mir und meinem Lieblings-Cousin Ähnlichkeiten zu finden (übrigens ähneln wir uns wirklich ein wenig, als Kind noch mehr)
  • Warum ich oft übermässig traurig bin obwohl nichts wirklich schlimmes oder trauriges gerade vorgefallen ist
  • Warum ich irgendwie versucht habe früher unbewusst wie ein Junge zu sein und auf alten Fotos wo ich jungenhaft wirke, ich mich nicht wiedererkenne und mein Herz und meine Seele mir sagt "das bist nicht Du, das ist er!"
  • Warum ich als Kind unbedingt eine männliche Babypuppe haben musste als einziges Kind im ganzen Quartier
  • Warum ich immer so lange in den Spiegel guckte und oft dann sehr traurig wurde (seit der Entdeckung aber auch beruhigt und gestärkt)
  • Warum ich in Gruppen nur wohl bin wenn ich mit einer zweiten Person da bin die mir nahe steht
  • Warum ich immer das Gefühl habe, dass mein Mann alles verstehen und nachvollziehen können sollte was ich tue, denke, wünsche, sehe etc
  • Warum ich manchmal das Gefühl habe unsere Verbindung müsste noch intensiver sein (eben wie eine Zwillingsverbindung)
  • Warum mich Zwillinge immer magisch angezogen haben und ich mit ihnen befreundet sein wollte
  • Warum ich mir soooo stark einen Bruder gewünscht habe
All dies ergibt jetzt einen Sinn. Die Entdeckung dieser Dinge ist eine ziemlich aufwühlende Angelegenheit, einerseits hat man endlich eine Erklärung für bisher unerklärliche Verhaltensweisen, andererseits wird das ganze Thema noch präsenter, realer und dadurch auch der Verlust des Zwillings.

Eine "Überlebende" stellt sich vor

Hallo

Ich möchte mich kurz vorstellen, da ihr mich hier des öfteren antreffen werdet und auch Postings von mir zu lesen bekommt.

Ich bin Karin. 33 Jahre lang war ich ein Einzelkind, manchmal fühlte ich mich einsam, traurig und wusste nicht warum. Etwas hat gefehlt, irgend etwas „war nicht richtig, nicht an seinem Platz“. Es ist schwierig dieses Gefühl zu beschreiben, schwierig zu erklären wie ich das gefühlt habe. Seit ich denken kann, habe ich mir einen Bruder gewünscht, der Wunsch war so stark, dass es manchmal weh tat.
Es gab viele Momente wo ich mich mehr wie ein Junge fühlte, lieber Spiele und Beschäftigungen „für Jungs“ mochte etc und später gab es manchmal so was wie ein „Gedankenblitz“ und ich hatte das Gefühl jemanden in der Welt vertreten zu müssen.
Aber warum?
Und wen?
Seit dem 3. Juli 2010 weiss ich, ich war kein Einzelkind, ich hätte nicht nur Geschwister, sondern ich hatte einen Zwillingsbruder. Ich habe einen Bruder!
Mancher würde jetzt sicher denken „nun hat die Karin echt einen Knacks“ - aber nein, es ist tatsächlich die Wahrheit.
Wissenschaftler haben herausgefunden, dass viele Schwangerschaften als Mehrlings-Schwangerschaften beginnen. Das heisst, dass sich ganz am Anfang der Schwangerschaft, zwei oder mehrere Embryos in der Gebärmutter befinden. Über den Prozentsatz der Häufigkeit dieses Phänomens gibt es verschiedene Ansichten, die Zahlen pendeln zwischen 20 – 80 % aller Schwangerschaften. Das bedeutet, dass viele Menschen eigentlich als Zwilling, oder Mehrling entstanden sind, aber oftmals eben das zweite, dritte oder vierte Embryo stirbt und das meist bevor es auf einem Ultraschallbild überhaupt gesehen werden könnte.
Warum manche Embryos absterben, möglicherweise aus körpereigenem Schutz, da vielleicht sonst beide Kinder gefährdet wären oder anderes. Meist merkt auch niemand, wenn ein Embryo stirbt, die Mutter muss das nicht unbedingt bemerken, aber das oder die anderen Embryos schon.
Ich weiss, das tönt alles nach Science Fiction, aber es ist Realtität und es ist genauso Realität dass dieser vorgeburtliche Verlust den überbleibenden Zwilling prägt. Die Verbindung zum Zwilling ist intensiver als die zu der Mutter, der Zwilling ist naher und von Anfang an dabei. Der Herzschlag wird gehört, die Gegenwart gespürt – wenn dann plötzlich das Gegenüber nicht mehr da ist, hinterlässt das ganz logischerweise Spuren. Nach der Geburt kann man sich vielleicht lange nicht mehr bewusst an den Zwilling/Drilling etc erinnern, aber im Unterbewusstsein fehlt er und das beeinflusst das ganze Leben.
Anhand von Fotos aus meiner Kindheit bin ich meiner Vergangenheit auf die Spur gegangen. Auf vielen Fotos sehe ich sehr jungenhaft aus, viele Situationen fallen mir wieder ein und bei einzelnen Bildern ist es, als würde ich meinem Zwilling in die Augen schauen. Zudem habe ich mit Hinweisen einer Freundin entdeckt, dass ich auf Fotos wo ich zu zweit mit einer Freundin abgebildet bin, oder mit einem Cousin etc viel glücklicher wirke als auf Fotos wo nur ich zu sehen bin. Ausserdem ist mir wieder bewusst geworden, wie alleine ich mich manchmal in den Ferien "nur" mit den Eltern gefühlt habe und wie glücklich ich in Frankreich-Ferien gewesen bin in denen eine Schulfreundin mitkommen durfte. Beim objektiven Betrachten dieser Freundschaftsbeziehungen fiel mir plötzlich auf, dass ich dort immer mehr "die männliche Seite" war und das brachte mich auf eine Idee.
Um dem Unterbewusstsein zu helfen, alles ans Tageslicht zu bringen, habe ich einige Fotomontagen gemacht, gerne lasse ich euch daran teilhaben, in der Hoffnung dass sie anderen Menschen helfen, allenfalls ihrer eigenen Vergangenheit auf die Spur zu kommen.
Eigentlich bin auf beiden Fotos ich und beide Aufnahmen wurden am selben Tag und in derselben Stunde gemacht, aber auf dem linken sehe ich aus wie ein Mädchen und auf dem rechten Bild könnte ich fast ein Junge sein. Als ich diese beiden Bilder zum ersten Mal so nebeneinander gelegt habe (und das rechte spiegelverkehrt), war es als würde etwas hervorgekommen was lange verschüttet gewesen war. Mein Herz tat in diesem Moment so weh, Tränen liefen mir herunter und es war als würde es mich zerreissen. Nein, ich brauche keinen „Beweis“, ich wusste in diesem Moment mit absoluter Sicherheit dass ich einen Zwillingsbruder gehabt habe.
Diesen Moment werde ich in meinem Leben nie vergeessen. Einerseits war ich unendlich traurig, anderseits wusste ich endlich woher all die Gefühle kamen, das Gefühl jemanden vertreten zu müssen, das Gefühl das etwas fehlt, das Gefühl dass es mich innerlich zerreisst manchmal und ich nie wusste warum.

Also habe ich fortgefahren mit dieser Bilderbearbeitung und habe noch 2 weitere „Zwillingsbilder“ erstellt. Das geht mit einem Foto und einer spiegelverkehrten Kopie, oder mit zwei Bildern die in derselben Umgebung aufgenommen wurden am besten.
Eines der Fotos zeigte ursprünglich mich und die damalige Schulfreundin in den erwähnten Frankreich-Ferien. Ich habe das Bild nun bearbeitet. So hätte es aussehen können, wenn mein Bruder noch leben würde.


Nein, meine Reise in die Vergangenheit und das verarbeiten all der neuen Gefühle ist noch lange nicht zu Ende. Es braucht seine Zeit, braucht viel Kraft, zu verarbeiten dass jemand da war und man ihn aber verloren hat, er nie wieder da sein wird. Es tut weh, aber ich versuche immer an die Vorstellung vom Paradies zu denken und daran, dass wir uns dort wiedertreffen werden.
Aber im Moment mag ich noch nicht loslassen, ich habe meinen Zwillingsbruder doch gerade erst gefunden! Willkommen Bruderherz!


Wer mehr über mich wissen möchte, darf mich gerne kontaktieren.